Billigheimer Purzelmarkt

1450 bis 1904

Im Jahre 1450 verlieh Kaiser Friedrich III. dem Dorf Billigheim das Jahr- und Wochenmarktsrecht. Die dazugehörige Urkunde sowie die Erneuerungsurkunde, in welcher der 1521 amtierende Kaiser Karl V. das Marktrecht im Wormser Reichstag bestätigte, sind bis heute leider nicht auffindbar gewesen. Nur eine Notiz im „Codex Germanicus Monacensis“ und eine Abschrift der Bestätigung sind bis heute aufgetaucht. Darin steht die Berechtigung einen Jahrmarkt am Sonntag vor St. Gallus und Mittwochs einen Wochenmarkt abzuhalten.
Der Wochenmarkt verlor jedoch mit der Zeit an Popularität und wurde 1802 eingestellt. Der Jahrmarkt, „Gallusmarkt“ genannt, wurde auf den Sonntag nach St. Gallus verlegt. Historiker vermuten, dass dies aufgrund der Weinernte geschah.
Als sich der „Gallusmarkt“ immer mehr zum Volksfest entwickelt hatte, suchte man nach einem neuen Namen für das Fest. Man fand ihn in dem Namen „Purzelmarkt“, welcher vom traditionellen Purzelbaumschlagen (Purzeln) der Knaben abgeleitet wurde.
Für die Gegend war er von großer Bedeutung, da man hier gut Waren kaufen und verkaufen konnte, was früher sonst nur schwer möglich war. Das Musik- und Tanzprogramm war eine willkommene Abwechslung für jung und alt. Viele kamen auch aus, für damalige Verhältnisse, weiter Entfernung und trugen die in ihrer Heimat übliche Tracht und rundeten somit das Festbild ab.
Schon im frühen Mittelalter erfreuten sich die Volksbelustigungen und Wettbewerbe großer Beliebtheit. 1838 werden die Wettbewerbe Sackhüpfen, Baumklettern und Vogelschießen eingeführt. Zwei Jahre später, also 1840 wurden dann noch Dreibeinlaufen, Wassertragen und Reepstuchspringen zum Angebot hinzugefügt.
Begonnen wurde das damalige Purzelfest Dienstags durch sechs Böllerschüsse und einen Festumzug, welcher mit den Reitern der Ortsvorständen, gefolgt von bewaffneten Sicherheitsmännern zu Fuß. Danach der „Weiße Wage“, ein Trachtenwagen, welcher mit weiß gekleideten jungen Mädchen, die Ehrenpreise mit sich trugen besetzt war. Der Wagen stellte die pfälzische Spinnstube dar.
Nach Beendigung der Festaktivitäten auf der Festwiese zog der Festzug geschlossen und in Formation zum Marktplatz zurück.
Ein wichtiger Teil der Feste war auch die Trachtenschau. Bis 1806 waren Trachten noch normale Sonntagskleidung der Bevölkerung. Jedoch orientierte man sich immer mehr zur Stadtmode, wodurch die Trachten immer mehr an Bedeutung verloren. So waren auch am Purzelmarkt immer weniger Trachten zu sehen.
Nachdem die Elsässer Mitte des 19. Jahrhunderts aus politischen Gründen nicht mehr mit ihren Trachten teilnehmen konnten, fehlte ein wichtiger Anzugspunkt. Als dann aus verschiedenen Gründen das Preis- und Vogelschießen wegfielen und um 1875 noch das Ende der Viehzucht den Handelspluspunkt des Purzelmarktes fast eliminierte verlor Billigheim und sein Purzelmarkt immer mehr an Bedeutung

1905 bis 1918

Um den Purzelmarkt vor weiterem Verfall zu schützen gründeten am 11. November 1905 Friedrich Gundelwein und der Arzt Dr. Friedrich Heitz den ?Verein zur Hebung des Billigheim Purzelmarktes?. Zweck des Vereins war es den Purzelmarkt zu verschönern, und das Fest attraktiver zu gestalten. Mitglieder waren 48 Billigheimer und 6 Auswärtige, welche mithilfe der Vereinskasse, die u.a. durch den Jahresmitgliedsbeitrag von 4 Reichsmark gefüllt wurde, dem Purzelmarkt neue Requisiten und Festgegenstände beschafften. Bedingung dafür war aber, das der Ort weiterhin der Träger des Festes blieb und die gleichen Gelder wie bisher zur Verfügung stellte. Der Gründungsvorstand setzte sich wie folgt zusammen:
Fr. Gundelwein war erster Vorsitzender, Dr. F. Heitz war 2. Vorsitzender, Haas war Schriftführer, Martz Rechner und Wind Beisitzer.
Ihr wichtigstes Anliegen war das Wiederaufleben der Trachten, und so wurde in alten Kisten ?gekramt? und ?gewühlt? und man suchte alles Brauchbare zusammen. Zusätzlich wurden einige Männertrachten angefertigt. 1906 trugen schon viele Billigheimer wieder Trachten, und es kam erstmals die Gründung einer Trachtengruppe ins Gespräch. So entstand unser Verein.
Jedoch schon 1908 beklagte Fr. Gundelwein in einem selbstverfassten Brief das enorme Desinteresse am Purzelmarkt. Anstatt zum Fest beizutragen, wollten viele nur Profit herausschlagen, auch wenn hier einige Ausnahmen die Regel bestätigten. Bedrückend waren auch die Vereinsbeitrittszahlen, nur 8 Billigheimer, jedoch 72 Auswärtige Neumitglieder wurden seit der Gründung verzeichnet. Er forderte die Einwohner auf, das Fest mehr als sonst zu unterstützen, und bezog sich darin insbesondere auf den Beitritt zum Verein, wessen Vereinskasse die Hauptfinanzgrundlage des Purzelmarktes bildete. Nur durch Zusatzeinnahmen wie den Verkauf von Bühnenkarten, Broschüren etc. konnte man den Verein und das Fest ?über Wasser? halten.
Es wurden aus freiwilligen Beiträgen Rücklagen für weniger gute Zeiten angelegt, z.B. kamen 1913 so 152,40 Mark in die Vereinskasse. Schon ein Jahr später unterbrach der 1. Weltkrieg die Festaktivitäten, wodurch nur die Mitgliedsbeiträge die Einnahmen im Jahr 1914 darstellten. Während des Krieges schrumpfte die Mitgliedszahl von 161 unter die Hälfte auf 70.

1919 bis 1923

Das Ende des Krieges bedeutete für den Verein viel Arbeit. So wurde der Jahresbeitrag auf 10 Mark angehoben. 1921 erreichten die Ausgaben ein Ausmaß von 15.000 Mark. So musste Gundelwein, um die Kosten abzudecken Bittschrieben, an mögliche Geldgeber versenden, deren Spenden jedoch durch die fortschreitende Inflation immer mehr ihren Wert verloren. Im August 1922 stand noch nicht fest ob, man den Purzelmarkt in diesem Jahr überhaupt abhalten könne. Zu einem Ausfall kam es 1922 zwar nicht, aber dafür aufgrund der extremen Währungskrise 1923.

1924 – 1932

Nach der Inflation wurde der Mitgliedsbeitrag wieder auf 4 Reichsmarkt gesenkt. Am 20. August 1926 wurde in einer Versammlung beschlossen, 50 Pfennige Eintrittsgeld pro Person zu erheben. Fr. Gundelwein wurde inzwischen zum Ehrenvorstand ernannt und Karl Knauber wurde 1. Vorsitzender. 1931 drehte die „Fox“ Tönende Wochenschau / Berlin sogar einen Film über den Purzelmarkt.

1933 – 1944

1935 verkündete der 1. Vorsitzende Karl Knauber seinen Rücktritt, es wurde jedoch kein Nachfolger gefunden. So bleib der Verein ohne Vorstand, bis Bürgermeister Leister aus Bergzabern eingriff. Er schlug in der Versammlung vom 24. Juli 1936 vor, dass Karl Knauber den Vorsitz des Purzelmarktvereins weiterhin übernehmen möge. Um seine Arbeit zu erleichtern, bildete sich ein Ehrenvorstand. Ihm gehörten Kreisleiter Bachmann, Oberamtsrat Jacobus und Bürgermeister Leister an. Leister führte hauptsächlich den Verein. Da er als Kreispropagandaleiter eingesetzt war, hatte er großes Interesse an der Werbung für den Purzelmarkt. Nationalsozialistische Interessen hielten Einzug. Bereits 1936 wurde der Purzelmarkt durch ein Jagdspringen der SA und SS erweitert. Für 1937 waren zusätzlich Wettbewerbe verschiedener Parteigruppen vorgesehen. Doch das Fest musste wegen dem Auftreten der Maul- und Klauenseuche abgesagt. Ab 1938 fiel der Purzelmarkt wegen Westwallarbeiten und dem beginnenden 2. Weltkrieg aus.

1945 – heute

Nach Kriegsende fand 1945 der Purzelmarkt in kleinerem Rahmen und ohne Reitveranstaltung statt. Unter dem Vorsitz von Wilh. Kessler nahm der Verein seine Tätigkeit 1946 wieder auf. In diesem Jahr war der Purzelmarkt mit 10.000 Besuchern ein voller Erfolg, auch in finanzieller Hinsicht. Im Jahr 1949 wurde das Programm durch ein Traktorenrennen und Ausscheidungskämpfe im Ringelstechen bereichert. 17. Oktober 1950 feierte das Dorf Billigheim das 500 – jährige Bestehen des Purzelmarktes. In diesem Jahr wurde Albert Heil zum Vorstand ernannt und erstmals ein Fohlen- und Pferdemarkt abgehalten. 1953 übernahm Fritz Köhler bis zur nächsten Versammlung den Vorsitz, als sein Nachfolger wurde Johannes Kropfinger gewählt. 1956 kam die Purzelmarkt – Operette, geschrieben von Adam Orth, zur Uraufführung. 1961 übergab Joh. Kropfinger sein Amt als Vorsitzender an Wilh. Kolmer ab. Der Vorsitzende Edwin Wenner griff 1964 den Gedanken wieder auf, das Fest auf Sonntag zu verlegen. Bedingt durch den Wandel der Zeit, war es vielen Berufstätigen nicht mehr möglich, den Purzelmarkt am Dienstag zu besuchen. So fand das Fest erstmals 1965 an einem Sonntag statt. Um dem schlechten Wetter im Oktober auszuweichen, legte man den Purzelmarkt auf das zweite Wochenende im September. Eine wichtige Neuerung brachte das Jahr 1969: Der Verein wählte zum ersten Mal eine Purzelmarktkönigin, welche immer aus den Reihen unserer Trachtengruppe kam und noch immer kommt. Wegen Platzmangel im Dorf und der schlechten Witterung baute die Gemeinde 1975 ein Zelt auf der Festwiese auf. Hier fanden am Purzelmarkt – Samstag und Montag verschiedene Veranstaltungen statt. Letztmalige erfolgte eine Aufstellung des Festzeltes 1984. Im folgenden Jahr errichteten örtliche Vereine in mehreren Höfen Ausschankstellen. Durch diese Initiative kehrte das Fest ins Dorf zurück.

Sonstiges

Weitere Infos zum Billigheimer Purzelmarkt finden sie auf dessen Website unter www.purzelmarkt.de.
Das Komplettwerk zum Billigheimer Purzelmarkt ist in begrenzter Zahl noch bei Ulrike Dietrich zu erwerben. Die Adresse finden sie unter „Kontakt„.

Das Purzelmarktlied
  1. Zum Billigheimer Purzelmarkt,
    strömt immer jung und alt,
    und Wagen neben Wagen parkt,
    denn jeder macht hier halt.
    Die echte Volksbelustigung,
    die findet man nur hier,
    denn hier herrscht Leben, hier herrscht Schwung
    bei Tanz, bei Wein und Bier.

    Drum komm zum Purzelmarkt mit mir
    du hübsche Kleine,
    mein ganzes Herz verlangt nach dir
    bin so alleine.
    Warum so einsam steh’n,
    wir woll’n zusammen geh’n,
    denn auf dem Purzelmarkt ist’s immer schön.

  2. Man reitet, klettert, springt und rennt,
    zurück will keiner steh’n,
    das echte Pfälzer Temprament,
    hier kann man’s wieder seh’n.
    Und dann die hübschen Mädchen all
    in ihrer schmucken Tracht,
    so’n Mädel aus dem Klingbachtal,
    das ist ne‘ wahre Pracht.
    Drum komm…

  3. Und kommt dann leis‘ die Nacht heran
    mit ihrem Lichterschein,
    dann fängt der Markt erst richtig an,
    da freut sich groß und klein.
    Und alle Augen leuchten hell,
    man singt, man scherzt, man lacht,
    fährt mit der Liebsten Karusell
    und tanzt die ganze Nacht.
    Drum komm…

  4. Und ist der Purzelmarkt dann aus,
    und schweigt auch die Musik,
    dann geht ein jeder Froh nach Haus‘
    und denkt noch gern zurück.
    So mancher ruft dann noch einmal
    beim auseinandergeh’n:
    „Ihr Mädchen aus dem Klingbachtal,
    lebt wohl es war so schön!“
    Drum komm…

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